Dieses Jahr begleite ich zum letzten Mal eine Gruppe zur Konfirmation. Das ist ein Grund zurückzublicken und Bilanz zu ziehen. Grundsätzlich ist für mich schön, das Lebensgefühl und den Musikstil der jungen Leute zu spüren, Umgangsart und Lebensträume mitzubekommen. Ich bleibe am Puls der Zeit und lerne auf dem Konfirmationsweg auch die Eltern und ihre Lebenswelten kennen. Mein Anliegen für diesen Weg ist, dass die jungen Leute Gott, die eigene Situation und das Leben zusammenbringen und gute Gemeinschaftserfahrungen machen können.
Wenn ich Bilder von bisherigen Konfirmationsgruppen ansehe, fallen mir zunächst die Konfirmationen ein. Die Konfirmationsvorbeitung war immer ein besonderer Abschnitt. Die Gruppen haben jeweils ihr Thema bestimmt und mit verschiedenen Beiträgen dargestellt. Es ist auffallend, dass es für die jeweilige Gruppe gepasst hat, ob es Liebe, Helden oder Lebensträume hiess, oder Spezielle Momente, YOLO (Du lebst nur einmal), Soziale Medien, Motor und Motivation. Praktisch immer hatte ich nach der Konfirmation den Eindruck, es hat ihnen entsprochen und es war gut.
Höhepunkte
Die erste Lagerwoche ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Es hat sich nicht nur eine äusserst gute Gemeinschaft entwickelt. Am letzten Abend haben wir bis um zwei gespielt und zusammengesessen. Daraus ist später ein Jugendtreff erwachsen, der von einem vierköpfigen Team dieser Gruppe verantwortet wurde. Zu den Höhepunkten zähle ich auch Weekends, die in der Regel auch von den Konfirmandinnen und Konfirmanden hoch bewertet wurden. Im gemeinsamen Zusammensein und in den gemeinsamen Erlebnissen ist meist eine Atmosphäre entstanden, die ein Gemeinschaftsgefühl hat wachsen lassen, das in normalen Konf-Abenden so nicht entstehen kann. Wir haben gespielt, haben uns abgeseilt, ein Geländespiel gemacht oder waren unterwegs in eine Höhle oder zum Baden. Ich glaube, das wirkte sich positiv für das Nachdenken über Glauben und Leben aus und auch auf das Singen.
Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Ein entscheidender Gewinn waren junge Mitarbeitende. Sie waren und sind vom Alter und von der Lebenswelt näher bei den Konfirmandinnen und Konfirmanden als ich und haben so Brücken ge- und Vorurteile abgebaut. Einzelne haben bei der Konf-arbeit über mehrere Jahre mitgeholfen, das hat uns auch als Team verbunden. Allerdings ist es nicht einfach, Freiwillige für die Mitarbeit zu finden.
Besondere Anlässe
Daneben gab es neben den gewohnten (Konf-)Abenden besondere Anlässe, durch die die Gruppe Einblicke in andere Lebenswelten bekommen haben. Eine Schauspieltruppe von Behinderten improvisierte Szenen und bezogen die Konfirmandinnen und Konfirmanden ein. Wir besuchten die Fazenda im Kloster. Dabei wurde nicht nur das Kloster vorgestellt. Bewohner erzählten von ihren Abstürzen und dem Weg zur Fazenda und wie sie nun Gemeinschaft, Arbeit und Glauben leben.
Wir haben an Jugendgottesdiensten der Streetchurch in Zürich besucht, an der Hunderte junger Leute teilgenommen haben. Zuvor hatte es jeweils einen Einblick in die verschiedenen Bereiche gegeben, Eingliederungsprogramme, psychologische Betreuung, Zusammenarbeit und weitere Sozialarbeit.
Immer wieder habe ich auch Gäste einbezogen, die vom Verlust eines Menschen, von Sozialprojekten oder vom Leben mit einer besonderen Krankheit berichteten. Und schliesslich haben in den vergangenen Jahren jeweils kleine Grüppchen Gemeindeglieder besucht und ein Interview geführt. Sie haben Einblick in Lebensgeschichten und Glauben erhalten. Und sie haben gesehen, wo sich Gemeindeglieder engagieren und wie vielfältig dieses Engagement sein kann – auch für sie.
Herausforderungen und Zukunftsgedanken
Natürlich bin ich beim Rückblick geneigt, eher das Positive hervorzuheben. Aber zumindest einzelne Herausforderungen möchte ich erwähnen. Eine besondere sehe ich im Gruppendruck, der manchmal gute und ehrliche Gespräche über wichtige Themen nicht zuliess. In Gesprächen mit Einzelnen stellte sich meist heraus, dass schwieriges Verhalten nur selten durch Desinteresse bedingt war, eher dass sie grad keine Lust hatten, mit etwas anderem beschäftigt waren oder dass man in der Gruppe cool sein wollte. Auch meine ich festzustellen, dass der Glaube im Umfeld der Jungen fast nicht mehr vorkommt. Viele kennen die Sonntagschule nicht mehr und haben nur vereinzelt positive Erfahrungen in Lager, Weihnachtsspielen oder christlicher Gemeinschaft.
Als ich 1987 als Pfarrer begann, habe ich davon geträumt, dass junge Leute durch gute Erfahrungen in das kirchliche Leben und Engagement hineinwachsen könnten. Nach teilweise ganz guten Erfahrungen in Wil ist es in Wattwil nur sehr vereinzelt gelungen.
Nach meiner Einschätzung braucht es für die Zukunft nicht nur gute Programme, sondern junge Leute, die den Weg durch das Konfirmationsjahr mitgehen und Gespräche ermöglichen, dass die Jungen offen reden können. Ich glaube, die Fragen nach Sinn und Hoffnung, nach Gerechtigkeit und dem Umgang mit dem Bösen in uns und in der Welt beschäftigen die Jungen weiterhin. Und für die Fragen, ob es Gott gibt und wie man die Beziehung zu ihm leben kann, braucht es einen Ort, wo man Anregungen bekommen und eigene Erfahrungen machen kann.
Pfarrer Rainer Pabst



